2012 Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht 113
III. Bau-, Raumentwicklungs- und Umweltschutzrecht
18 Mobilfunkantenne Grundsätze der Standortevaluation gemäss § 26 EG UWR
Urteil des Verwaltungsgerichts, 3. Kammer, vom 28. November 2012 in Sa- chen A. AG gegen Regierungsrat sowie Gemeinderat B. (WBE.2011.208).
Aus den Erwägungen
2.
Es ist unstreitig, dass die geplante Mobilfunkanlage mit den im
Standortdatenblatt angegebenen Sendeleistungen und Neigungs-
winkel die Anlage- und Immissionsgrenzwerte der Verordnung über
den Schutz vor nichtionisierender Strahlung vom 23. Dezember 1999
(NISV; SR 814.710) rechnerisch einhält. Ebenfalls unbestritten ist
die Zonenkonformität der Anlage. Streitig ist im vorliegenden
Verfahren einzig die Bedeutung von § 26 EG UWR und die Frage,
ob eine rechtsgenügende Standortevaluation im Sinne der Bestim-
mung stattgefunden hat.
§ 26 EG UWR lautet:
"Der am besten geeignete Standort von Antennen, die den bundesrechtlichen Vorschriften über den Schutz vor nichtionisierender Strahlung unterstehen, ist ge- stützt auf eine Abwägung der Interessen der Betreiberinnen beziehungsweise der Betreiber und der Standortgemeinde sowie gegebenenfalls betroffener Nachbarge- meinden zu wählen. Die Interessenabwägung berücksichtigt insbesondere Aspekte des Landschafts- und des Ortsbildschutzes sowie der Siedlungsentwicklung." 3. (...)
4.
4.1.
Der Beschwerdeführerin ist dahingehend zu folgen, dass ein
Rechtsanspruch auf Erteilung der Baubewilligung besteht, wenn ein
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Bauvorhaben sämtliche Bewilligungsvoraussetzungen erfüllt
(vgl. Art. 22 Abs. 2 und 3 RPG). Gemäss bundesgerichtlicher Recht-
sprechung sind Gemeinden und Kantone jedoch im Rahmen ihrer
Zuständigkeiten grundsätzlich befugt, Bau- und Zonenvorschriften
zu Mobilfunkanlagen zu erlassen, sofern sie die bundesrechtlichen
Schranken beachten, die sich insbesondere aus dem Umwelt- und
Fernmelderecht ergeben. Unter Vorbehalt der gewährleisteten Grund-
versorgung mit Fernmeldediensten ist es beispielsweise zulässig,
baupolizeilich eine Standortevaluation als Voraussetzung der Er-
stellung von Mobilfunkantennen vorzuschreiben, wobei der Standort
in einer umfassenden Interessenabwägung festzulegen sei
(BGE 133 II 353, Erw. 4.2).
Der Kanton Aargau hat mit § 26 EG UWR die erforderliche
Grundlage geschaffen, welche am 1. September 2008 in Kraft getre-
ten ist.
4.2.
4.2.1.
Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass § 26 EG UWR eine ge-
nügende gesetzliche Grundlage darstelle und bringt im Wesentlichen
vor, es handle sich um eine Norm mit weitgehend programmati-
schem Charakter, welche nicht genügend bestimmt sei. Sie weise
keiner Partei spezifische Rechte Pflichten zu und unterlasse es
sowohl die Beweislast bzw. Nachweispflicht für den besten Standort
zu regeln als auch der Baubehörde einem anderen Beteiligten
das "letzte Wort" zuzuweisen. Ferner sei sie rein raumplanungsrecht-
lich motiviert. Dagegen erfasse sie keineswegs irgendeine Form von
Radioplanung, welche nicht zum Gegenstand des Baubewilligungs-
verfahrens gemacht werden könne. Entsprechend sei die Betreiberin
nicht verpflichtet eine spezifische Standortkoordination mit beste-
henden und zukünftigen Mobilfunkantennen vorzunehmen ei-
nen Bedürfnisnachweis zu erbringen. Sie müsse weder eine Netzab-
deckungslücke nachweisen noch Aufschluss über die konkrete Ab-
deckungssituation geben.
4.2.2.
Ein Rechtssatz, auf den sich eine Verfügung stützt, muss genü-
gend bestimmt sein. Gemäss Bundesgericht muss das Gesetz so prä-
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zis formuliert sein, dass der Bürger sein Verhalten danach einrichten
und die Folgen eines bestimmten Verhaltens mit einem den Umstän-
den entsprechenden Grad an Gewissheit erkennen kann (BGE 109
IA 273, Erw. 4d; vgl. zum Ganzen Ulrich Häfelin/Georg Müller/Felix
Uhlmann, Allgemeines Verwaltungsrecht, 6. Auflage, Zürich/
St. Gallen 2010, Rz. 387).
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin erfüllt die Re-
gelung gemäss § 26 EG UWR diese Voraussetzungen. Die Bestim-
mung legt fest, dass die Errichtung jeder Mobilfunkanlage auch
innerhalb der Bauzone am bestgeeigneten Standort zu erfolgen hat,
wobei sich dieser aus einer Abwägung sowohl der Interessen der
Betreiberinnen als auch jener der Standortgemeinde sowie allenfalls
betroffener Nachbargemeinden ergibt. Konkretisierend statuiert sie,
dass insbesondere die Aspekte des Landschafts- und des Ortsbild-
schutzes sowie der Siedlungsentwicklung zu berücksichtigen sind.
Sie setzt ferner die kantonale Kompetenz zur Standortsteuerung von
Mobilfunkanlagen um, für welche gemäss Rechtsprechung des Bun-
desgerichts ausdrücklich Raum besteht (siehe oben, Erw. 4.1). Ihr
Grad an Bestimmtheit erinnert durchaus auch an andere baurechtli-
che Bestimmungen; zu denken ist etwa an die Standortprüfung und
Interessenabwägung gemäss Art. 24 RPG. Mithin ordnet sie als
Voraussetzung der Bewilligung und nicht bloss programmatisch an,
dass kein die relevanten Interessen insgesamt besser wahrender
Standort für eine Anlage vorhanden sein darf. Sinn und Zweck von
§ 26 EG UWR ist, die Standorte von Mobilfunkanlagen aus raum-
planerischer Sicht zu optimieren (Botschaft des Regierungsrats des
Kantons Aargau an den Grossen Rat vom 17. Januar 2007, 07.17,
S. 29). § 26 EG UWR allein bietet in keinem Fall Hand dazu, eine
Mobilfunkanlage gänzlich zu verhindern, bildet aber die Grundlage
dafür, diese dem bestgeeigneten Standort zuzuführen. Entgegen der
Ansicht der Beschwerdeführerin verhindert die Bestimmung inso-
fern, dass die Bewilligungsbehörde eine Anlage ohne weiteres am
vom Betreiber gewählten Standort zu bewilligen hat, obschon sie
zonenkonform ist und alle sonst anwendbaren Bauvorschriften und
Grenzwerte einhält (vgl. Benjamin Wittwer, Bewilligung von Mobil-
funkanlagen, 2. Auflage, Zürich 2008, S. 119 ff.). Die Interessenab-
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wägung kann dabei lediglich im Rahmen bundesrechtlicher Schran-
ken, namentlich des Umweltrechts, erfolgen: Insbesondere darf das
Kriterium der Minimierung der Strahlenbelastung (etwa in einem
Wohngebiet) keine Rolle spielen, da der Schutz vor nichtionisieren-
der Strahlung in der NISV unter Festlegung von Grenzwerten ab-
schliessend geregelt ist (Botschaft des Regierungsrats, a.a.O., S. 29;
vgl. Wittwer, a.a.O., S. 92, 97). Entsprechend sind auch rein subjek-
tive Befindlichkeiten Gesundheitsbedenken der Anwohner nicht
zu berücksichtigen. Im Rahmen der Abwägung stehen sich einerseits
die raumplanerischen Interessen der Standortgemeinde - je nach
Standort auch der Nachbargemeinden - und andererseits die privaten
Interessen der Betreiber unter Beachtung ihrer Wirtschaftsfreiheit
und der auch bundesrechtlich bezweckten Versorgung der Bevölke-
rung mit Fernmeldediensten gegenüber. Die Materialien machen
deutlich, dass der Gesetzgeber auch die Verminderung der Verkaufs-
chancen von Liegenschaften und den (objektiven) Attraktivitätsver-
lust von Wohnquartieren als planerisch relevante Auswirkungen ver-
stand (Botschaft Regierungsrat, a.a.O., S. 29).
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist eine aus-
drückliche Bezeichnung der pflichtigen Rechtssubjekte durch den
Gesetzeswortlaut weder im Lichte des Bestimmtheitsgebots notwen-
dig noch entspricht sie der Regel bei anderen bewilligungsrelevanten
Vorschriften (siehe bereits Art. 22 RPG). Einsichtigerweise obliegt es
der zuständigen Baubehörde, das Baugesuch unter Vornahme der
Interessenabwägung zu prüfen und über die Bewilligungsfähigkeit
des Bauvorhabens zu entscheiden. Insofern (und nur insofern) hat sie
"das letzte Wort", wie es die Beschwerdeführerin ausdrückt. Soweit
die Beschwerdeführerin eine Regelung der "Beweislast" bzw.
"Nachweispflicht" vermisst, greifen zunächst die allgemein und in
jedem baurechtlichen Verfahren anwendbaren Verfahrensgrundsätze.
So trifft die Bauherrschaft eine Mitwirkungspflicht (§ 23 VRPG),
welche der Ermittlung des Sachverhalts von Amtes wegen (§ 17
VRPG) Schranken setzt. Insbesondere muss das Baugesuch die für
die Beurteilung notwendigen Angaben, Pläne, Begründungen und
Unterlagen enthalten (§ 31 ABauV; § 51 BauV), damit die relevanten
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Vorschriften überhaupt angewendet und die Bewilligungsvorausset-
zungen überprüft werden können.
Entsprechend ist der Beschwerdeführerin zwar darin zuzustim-
men, dass § 26 EG UWR raumplanerische Optimierung und nicht
behördliche "Radioplanung" bezweckt. Doch hat die gesetzlich vor-
geschriebene Interessenabwägung nicht nur raumplanerische, son-
dern auch die privaten Interessen der Betreiberinnen respektive jenes
an guter Versorgung einzubeziehen, was bedingt, dass diese nach-
weis- und ermittelbar sind. Entsprechend ist die Gemeinde darauf
angewiesen, dass ihr die Betreiberinnen ihre relevanten Bedürfnisse
offen legen (vgl. auch den Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und
Städte, Hrsg.: Bundesamt für Umwelt [BAFU] et al., Bern 2010,
S. 32). Beispielsweise kann die Abwägung zu Gunsten der Betreibe-
rin ergeben, dass die raumplanerischen Interessen an einem Alterna-
tivstandort aufgrund seiner geringen funktechnischen Geeignetheit,
mangels tatsächlicher bzw. rechtlicher Verfügbarkeit des Standorts
oder infolge wirtschaftlicher Nachteile der Betreiberin nicht durch-
zuschlagen vermögen.
Nach dem Gesagten obliegt es der Mobilfunkbetreiberin zu-
nächst, im Baugesuch respektive in einem begründeten Standort-
evaluationsbericht überprüfbare Grundlagen dazu beizubringen, in
angemessenem Umkreis den aus ihrer Sicht bestgeeigneten von
mehreren realistischen Standorten gewählt zu haben. Dabei ist die
Versorgungssituation und der funktechnische Nutzen im ent-
sprechenden Gebiet - soweit für die Interessenabwägung relevant
und technisch zumutbar - mit Hilfe von Simulationsmodellen zu
veranschaulichen. In diesem Sinne ist auch ausreichend detailliertes
Kartenmaterial notwendig. Die Standortevaluation ist aber keines-
wegs allein Sache der Betreiberinnen, zumal § 26 EG UWR der Ge-
danke der Kooperation zugrunde liegt (siehe unten, Erw. 4.3) und
eine Hilfestellung seitens der mit den örtlichen Verhältnissen am
besten vertrauten Baubehörde erwartet werden kann. Die zuständige
Baubehörde kann mit Blick auf die planerischen öffentlichen Interes-
sen einzelne und aus ihrer Sicht besser geeignete Alternativstandorte
innert nützlicher Frist einbringen und der Betreiberin in geeigneter
Form zur Stellungnahme vorlegen. Zudem hat sie für ein beförderli-
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ches Verfahren zu sorgen und fehlende Grundlagen rechtzeitig einzu-
fordern. Die zuständige Baubehörde hat die Interessen am beantrag-
ten Standort pflichtgemäss gegenüber denjenigen an einem Alterna-
tivstandort abzuwägen und - insbesondere bei einem vom anbegehr-
ten abweichenden Standort - detailliert und nachvollziehbar zu be-
gründen, inwieweit die planerischen Interessen dort besser gewähr-
leistet sind.
4.2.3.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin zeigt sich die Konkreti-
sierungsbedürftigkeit von § 26 EG UWR auch darin, dass es entge-
gen dem Wortlaut der Norm kaum je für eine Antenne den einen
geeignetsten Standort, sondern stets eine Mehrzahl von möglichen
Standorten gebe, wovon sich manche besser, manche schlechter eig-
nen. Der Einwand sticht ins Leere: Zwar können sich durchaus meh-
rere Standorte als grundsätzlich geeignet erweisen. Die gemäss § 26
EG UWR gebotene Interessenabwägung zielt indes gerade darauf ab,
auch unter mehreren möglichen den am besten geeigneten Standort
zu bestimmen, welcher den gegenübergestellten Interessen insgesamt
am besten Rechnung trägt. Hat die Abwägung tatsächlich im Einzel-
fall zum Ergebnis, dass mehrere nahezu gleichermassen geeignete
Standorte existieren, so steht der Gemeinde im Einklang mit der
Ansicht der Beschwerdeführerin kein "Zuweisungsrecht" zu. Der
Grundsatz der Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV) und die Wirt-
schaftsfreiheit (Art. 27 BV) gebieten, dass die Mobilfunkbetreiberin
unter gleichermassen geeigneten Standorten wählen kann. Steht kein
besser geeigneter Alternativstandort zur Verfügung, ist die Verweige-
rung der Baubewilligung für den beantragten Standort unverhältnis-
mässig bzw. unrechtmässig. Durch verfassungskonforme Auslegung
von § 26 EG UWR im besagten Sinne ergibt sich ferner, dass ein
Standort nicht bereits aufgrund jedes noch so geringfügigen Unter-
schieds zum Alternativstandort als besser geeignet gelten kann.
Vielmehr muss sich die graduelle Abstufung an Geeignetheit nach-
vollziehbar und klar begründbar aus der Abwägung ergeben.
Auch unter diesem Aspekt lässt sich die genügende Bestimmt-
heit von § 26 EG UWR demgemäss nicht in Frage stellen. Vielmehr
stellt die Norm eine genügende Gesetzesgrundlage dar.
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4.3.
Hinzuweisen ist darauf, dass die Absicht des Gesetzgebers bei
Erlass von § 26 EG UWR in erster Linie war, ein möglichst frühzei-
tiges Zusammenwirken zwischen Mobilfunkbetreibern und Behörden
zu fördern. Die planerischen Auswirkungen einer Mobilfunkanlage
sollen bereits vor einem öffentlichen Bewilligungsverfahren eine
Optimierung erfahren und die Betreiberinnen schon vor Einreichung
des Baugesuchs zur Kontaktaufnahme mit der Standortgemeinde
angehalten sein (Botschaft Regierungsrat, a.a.O., S. 29; vgl. auch den
Leitfaden Mobilfunk für Gemeinden und Städte, a.a.O., S. 33;
BGE 133 II 353, Erw. 4.2). Ziel ist dabei, dass das Baugesuch bereits
für jenen Standort eingegeben wird, der vor Einleitung des Ver-
fahrens als bestgeeigneter aus der Evaluation hervorgegangen ist.
Das Gesagte bildet gleichsam klare Leitlinie für das gebotene
Vorgehen und befördert die Prozessökonomie. Der entsprechenden
Umsetzung dient in diesem Stadium auch die "Vereinbarung über die
Standortevaluation und -koordination" zwischen dem Departement
Bau-, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau und den Mobil-
funkbetreibern inklusive Beschwerdeführerin (siehe insbesondere
Art. 2 f.), welche im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Gesuchs-
einreichung noch nicht in Kraft stand.
Wo wie vorliegend ausnahmsweise und entgegen der gesetzge-
berischen Intention kein eigentliches Evaluationsverfahren vor dem
Baubewilligungsverfahren stattgefunden hat, ist die Standortprüfung
in letzterem - grundsätzlich erstinstanzlich - nachzuholen. Gegen-
teiliges lässt sich aus § 26 EG UWR mangels entsprechender Ein-
schränkung nicht ableiten. Zudem erscheint naheliegend, dass die
Betreiberinnen sich nicht durch vor dem Verfahren unterlassene Ko-
operation einer Standortevaluation entziehen können. Umgekehrt
sind die Behörden genauso zur Kooperation angehalten. Insbeson-
dere entspricht es nicht dem Zweck von § 26 EG UWR, den Verfah-
rensverlauf unverhältnismässig zu erschweren. So ist es den Ge-
meinden beispielsweise verwehrt, ein Zusammenwirken in Bezug auf
betreiberseits vorgeschlagene Standorte zu verweigern im Laufe
des Verfahrens gestaffelt immer "neue" mögliche Standorte in den
Raum zu stellen. Auch Schwierigkeiten der Verfahrenskoordination
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oder unnötig angestrengte Verfahren sind tunlichst zu vermeiden.
Ebenfalls kann nicht Sinn von § 26 EG UWR respektive der Koope-
rationspflicht sein, dass sich verschiedene Gemeinwesen gegenseitig
Standorte geradezu "zuzuschieben" versuchen. Die Bestimmung hat
grundsätzlich auch keine Änderung der gesetzlichen Zuständigkeits-
ordnung zum Inhalt. Ausdrücklich ist schliesslich darauf hinzuwei-
sen, dass hinsichtlich der Alternativstandorte, die während des hän-
gigen Baubewilligungsverfahrens ins Auge gefasst werden, die
Rechte und Rechtsmittelwege der dort Betroffenen respektive Ein-
wendungsberechtigten nicht beschnitten werden dürfen (in Bezug auf
Alternativstandorte ist vorab an die Veröffentlichung und Auflage
gemäss § 60 BauG zu denken). Es ist ihnen die Ausübung jener
Rechte zu ermöglichen, die ihnen auch zuteil würden, wenn das
Baugesuch für den Alternativstandort eingereicht worden wäre. Dies
bedeutet auch, dass die Gemeinde das Verfahren für ursprünglich im
Baugesuch bezeichnete Standorte nicht vorab erledigen darf und
rechtskräftige Entscheide über nur einzelne Standorte zu verhindern
hat. Vielmehr hat sie die Beurteilung sämtlicher in Frage stehender
Standorte unter Beachtung der Rechtsgleichheit in demselben for-
mellen Entscheid gleichzeitig zu eröffnen und dazu entsprechende
Massnahmen der Verfahrenskoordination vorzunehmen.
5.
5.1.
Im vorliegenden Fall stellt sich ferner die Frage, ob der Ge-
meinderat gestützt auf § 26 EG UWR trotz innerhalb der Bauzone
anbegehrten Standorts auch einen solchen ausserhalb der Bauzone
(hier auf dem Hochspannungsmast Nr. ...) in die Standortprüfung
einbeziehen durfte. Auf dem rund 200 m vom ersuchten Standort
entfernten Mast sind unbestrittenermassen bereits die Antennenanla-
gen der anderen Betreiberinnen errichtet.
5.2.
Der Beschwerdeführerin ist ohne weiteres darin zuzustimmen,
dass die kantonalrechtlich vorgeschriebene Evaluation des bestge-
eigneten Standorts nicht die Grenze zwischen Bau- und Nichtbauge-
biet aufheben kann. Zum Vornherein steht fest, dass nicht auf einen
Alternativstandort ausserhalb der Bauzone ausgewichen werden
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kann, wenn für die Anlage keine bundesrechtlich geregelte Ausnah-
mebewilligung im Sinne von Art. 24 RPG erteilt werden könnte.
Dies trifft namentlich zu, wenn es ihr an der erforderlichen Standort-
gebundenheit (Art. 24 lit. a RPG) fehlt. Mobilfunkanlagen aber sind
in der Bauzone zonenkonform, soweit sie der Abdeckung dienen
(BGE 133 II 353, Erw. 4.2). In der Regel sind sie nicht auf einen
Standort ausserhalb der Bauzone angewiesen und dort entsprechend
nicht bewilligungsfähig. Als Ausnahme vorbehalten sind Deckungs-
oder Kapazitätslücken, welche aus funktechnischen Gründen mit
einem mehreren Standorten innerhalb der Bauzone nicht genü-
gend beseitigt werden können (BGE 133 II 321, Erw. 4.3.3; Urteil
des Bundesgerichts vom 29. Januar 2009 [1C_345/2008], Erw. 2.3
mit Hinweisen). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung können
Mobilfunkantennen ausserhalb der Bauzone aber auch darüber
hinaus unter besonderen qualifizierten Umständen ausnahmebewilli-
gungsfähig sein: Werden sie nämlich auf bereits bestehenden Bauten
und Anlagen (insbesondere Antennen- und Hochspannungsmasten)
angebracht und nehmen folglich - im Unterschied zu anderen Bauten
und Anlagen - kein neues unüberbautes Nichtbauzonenland in An-
spruch, kann sich eine Mobilfunkantenne ausserhalb der Bauzone
dann als standortgebunden im Sinne von Art. 24 lit. a RPG erweisen,
wenn sich der Standort unter Abwägung aller Interessen gegenüber
jenen innerhalb der Bauzone als wesentlich geeigneter erweist.
Voraussetzung ist dabei, dass die Anlage keine erhebliche Zweck-
entfremdung von Nichtbauzonenland bewirkt und nicht störend in
Erscheinung tritt (Urteil des Bundesgerichts vom 28. August 2009
[1C_478/2008], Erw. 4.1; BGE 133 II 321, Erw. 4.3.3). Auch vorlie-
gend steht mit dem vom Gemeinderat alternativ vorgeschlagenen
Hochspannungsmasten eine bestehende Anlage zur Errichtung der
Mobilfunkanlage in Frage, wobei offenbar aufgrund der Akten zu-
mindest Aussicht auf eine Ausnahmebewilligung bestünde: Die Ab-
teilung für Baubewilligungen des BVU jedenfalls führte in der Ver-
nehmlassung vom 6. Oktober 2010 zu den entsprechenden Voraus-
setzungen aus, dass eine Zweckentfremdung von Nichtbauzonenland
oder eine störende Erscheinung der Antennenanlage wohl ausge-
schlossen werde könne.
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5.3.
Danach bleibt zu prüfen, ob § 26 EG UWR den Einbezug von
Alternativstandorten ausserhalb der Bauzone in die Standortprüfung
nicht nur vor Einleitung des Verfahrens, sondern auch nach Ein-
reichung eines ordentlichen Baugesuchs zulässt. Die Standortprüfung
nach Art. 24 RPG und jene gemäss § 26 EG UWR beruhen auf un-
terschiedlichen Rechtsgrundlagen. Offen gelassen werden kann je-
doch, ob sich im Sinne der Vorinstanzen die bundesgerichtliche
Rechtsprechung zu ausserhalb der Bauzone beantragten Ausnahme-
bewilligungen auf § 26 EG UWR übertragen lässt, dergemäss - für
die Standortprüfung im Rahmen von Art. 24 RPG - sowohl Standorte
innerhalb wie ausserhalb der Bauzone zu berücksichtigen sind
(BGE 133 II 409, Erw. 4.2.; BGE 133 II 321, Erw. 4.3.3; Urteil des
Bundesgerichts vom 24. April 2012 [1C_405/2011], Erw. 3.1). § 26
EG UWR jedenfalls enthält keine Einschränkung der Standortprü-
fung auf das Baugebiet für den Fall der Einreichung eines ordentli-
chen Baugesuchs. Soweit wie hier eine Installation auf bestehenden
Antennenstandorten ausserhalb des Siedlungsgebiets in Frage steht,
kann der entsprechende Standort folglich (unter Voraussetzung der
Bewilligungsfähigkeit) durchaus einbezogen werden (vgl. auch
Wittwer, a.a.O., S. 119). Zu beachten sind aber insbesondere die im
vorliegenden Entscheid statuierten Grundsätze der Verfahrensfüh-
rung (siehe oben, Erw. 4.3). Ferner bedeutet dies zum Vornherein
nicht, dass die Mobilfunkbetreiberinnen Standorte ausserhalb der
Bauzone aus eigener Initiative zu evaluieren verpflichtet sind.
Demgemäss ist für das vorliegende Bauvorhaben zu evaluieren,
ob der alternative Standort auf dem Hochspannungsmast der
von der Beschwerdeführerin beantragte Standort sich als geeigneter
erweist.
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